Aktionswoche gegen Rassismus 2018

"Fühlen Sie sich wohl, wenn Sie, sagen wir, neben Breel Embolo am Kiosk stehen und einen "Mohrenkopf" bestellen? Wunderbar. Dann sind die Würfel für Sie ja gefallen."
(TagesWoche, 15. September 2017)

 

Die Anlaufstelle Integration Aargau (AIA) führt die Aktionswoche „Aargau gegen Rassismus“ in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) des Bundes, dem Kantonalen Integrationsprogramm (KIP) und der Bewegung „Aufstand für Anstand“ durch. Die Woche findet vom 20. bis am 27. März 2018 rund um den internationalen Tag gegen Rassismus statt.

Kaum jemand würde von sich sagen, dass er oder sie rassistisch sei. Und überhaupt, Rassismus kommt in der Schweiz nicht vor. Vielleicht früher, aber heute nicht mehr - oder? Wie selbstverständlich reden wir von anderen Kulturkreisen, fremden Wertesystemen und religiösem Einfluss. Wir ziehen Grenzen, konstruieren Wahrheiten, schaffen Privilegien und teilen ein. In WIR und die ANDEREN. Schlummert also doch in jedem von uns ein Rassist, eine Rassistin? Und wo fängt Rassismus an?

21. März - Internationaler Tag gegen Rassismus

Rassistische Gewalt, Stereotypen in den Medien und Alltagsdiskriminierung erinnern uns daran, dass der Widerstand und der Kampf gegen Rassismus eine alltägliche Herausforderung für unsere plurale und vielfältige Gesellschaft bleibt. Am 21. März 1960 wurde eine friedliche Demonstration in Sharpeville in Süd-Afrika als Reaktion auf ein Gesetz über die Apartheid blutig niedergeschlagen und hat 69 Menschen das Leben gekostet. Ausgehend davon haben die Vereinten Nationen 1966 den 21. März als "Internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung" ausgerufen.

Trotz der erreichten Fortschritte ernüchtern und alarmieren uns weiterhin Rassismus und Diskriminierung - unter anderem in Arbeitswelt und Schule - gegenüber Migranten und Geflüchteten. Rassismus besteht fort auf allen Ebenen unserer Gesellschaft. Der Internationale Tag bietet Gelegenheit, den Reichtum der kulturellen Vielfalt und aufrichtigen Respekt sowie die Toleranz für andersartige Mitmenschen zu betonen.

Anlaufstelle für Opfer rassistischer Diskriminierung

Die Anlaufstelle Integration Aargau (AIA) ist Anlaufstelle für Opfer rassistischer Diskriminierung und engagiert sich im schweizerischen Beratungsnetz für Rassismusopfer. Bei der AIA melden sich nicht viele Personen, um sich wegen Rassismus beraten zu lassen. Diese Tatsache darf jedoch nicht falsch interpretiert werden. Denn gerade Opfer von Rassismus bewahren oftmals lange Stillschweigen und verzichten darauf, Hilfe zu suchen oder sich überhaupt jemandem anzuvertrauen. Die Diskriminierung findet nicht selten im Alltag statt, etwa bei der Arbeits- oder Wohnungssuche oder beim Zugang zum öffentlichen Raum. Das Gefühl der Diskriminierung ist bisweilen diffus und schwer zu erklären.

Ein gutes Beispiel ist die Wohnungssuche. Viele Personen wenden sich an die AIA, weil sie grosse Mühe bei der Wohnungssuche habe. Es scheint, als würden Personen mit Migrationshintergrund weit häufiger von den Vermietern abgelehnt. Ob es sich in diesen Fällen um Rassismus handelt, ist schwierig zu sagen. Im Fall des Hauswartes, der bei einer Besichtigung sagte, dass er keine „Kohlensäcke“ wolle, haben wir der betreffenden Verwaltung einen Brief geschrieben und sie mit den Aussagen konfrontiert.

Es ist die Summe aller Nebensächlichkeiten im Alltag. Das sind diskriminierende Zeugenaufrufe der Polizei, stereotypisierte Berichte in der Zeitung, beleidigende Aussagen in Kolumnen. Das sind Einschätzungen von Lehrpersonen, welche Schulstufe adäquat für das Kind sei oder die Aufforderung der Lehrerin, dass ein Kind mit kubanischem Vater der Klasse erklärt, wieso die Menschen in Afrika nicht die linke Hand zum Gruss hinstrecken. Es ist die Kommunalpolitikerin, die mehr Sicherheit fordert, weil sie dunkle Männer am Bahnhof ängstigen und es sind die Sprüche an der Fasnacht über Menschen, die seit jeher Insekten essen und sich ins Asylparadies flüchten. Es ist die Frage des Arztes über das Sexualverhalten bei Unterleibsschmerzen und die satirische Debatte vor 400 weissen Konzertbesuchern über die scheinbar lächerliche Schaumkuss-Debatte. Es sind diese vermeintlichen Nebensächlichkeiten, welche die Trolle in den Onlinekommentaren regelmässig den Spruch: „Habt ihr keine anderen Probleme?“ schreiben lassen. Darauf sagen wir laut und deutlich: Doch, das haben wir. Wir haben dieses und noch viele anderen Probleme. Gerade jetzt packen wir dieses an. Wir wollen dem Rassismus keine Chance geben. Auch nicht dem unbewussten, versteckten Rassismus, der sich im Alltag und in vielen Strukturen versteckt.

In der Aktionswoche gegen Rassismus lädt die Anlaufstelle Integration Aargau dazu ein, sich mit dem Thema Rassismus auf vielseitige Weise auseinanderzusetzen. Am Forum Integration wird Rassismus historisch und zeitgenössisch beleuchtet; am Filmsonntag werden drei Filmen das Thema aus sehr unterschiedlichen Perspektiven gezeigt. An den Living Libraries wird Raum und Zeit geboten für persönliche Begegnungen mit Menschen aus aller Welt, mit unterschiedlichen Migrations- und Lebensgeschichten. Ein Vermittlungsangebot für Schulen rundet das Angebot ab.

Forum Integration

Wir und die Anderen, 21. März 2018, 17.30 bis 20 Uhr, Roter Turm, Baden (Anmeldung unter www.integrationaargau.ch) erwünscht
 

Über Rassismus und Diskriminierung im Alltag

Am Forum Integration 2018 fragen wir uns: Wie zeigt sich Rassismus in der Schweiz? Wie viel Diskriminierung steckt in der Gesetzgebung? Was ist Racial Profiling und wie wird es angewandt – mit welchen Folgen? Und: Sind unsere Medien für Rassismus sensibilisiert?
 

21. März 2018, 17.30 Uhr bis 20 Uhr
Roter Turm, Grosser Saal Rathausgasse 5, Baden

Grusswort
Regierungsrat Urs Hofmann
 

Gibt es Rassismus in der Schweiz?
Kijan Espahangizi
Historiker, Geschäftsführer des Zentrum »Geschichte des Wissens« (ETH & Universität Zürich)
 

Diskriminierung im Kontext des AusländerInnen- und Ausländerrechts und des Bürgerrechts
Stefanie Kurt
Assistenzprofessorin FH, HES-SO
 

Anti-Schwarze-Rassismus am Beispiel von Racial Profiling
Tarek Naguib
Jurist mit Schwerpunkt im Antidiskriminierungsrecht, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für Sozialrecht (ZSR) der ZHAW
 

Rassismus in den Medien
Nina Fargahi
Chefredaktorin Schweizer Medienmagazin Edito
 

Moderation
Lelia Hunziker
Geschäftsleiterin der Anlaufstelle Integration Aargau
 

Apéro
Im Anschluss an die Veranstaltung laden wir Sie gerne zu einem kleinen Apéro ein.
 

Kosten
Freier Eintritt
 

Veranstaltungsort
Roter Turm, Grosser Saal, Rathausgasse 5, Baden

Living Libraries

In Aargauer Bibliotheken finden in der Aktionswoche Living Libraries statt. Anstatt Bücher können Menschen für ein Gespräch „ausgeliehen“ werden. Die direkten Begegnungen ermöglichen es, Stereotypen zu hinterfragen, Vorurteile abzubauen und die Bilder im Kopf mit wirklichen Menschen zu konfrontieren.
 

20. März 2018, 16.00 bis 18.00 Uhr, Mediothek Kantonsschule Wohlen
22. März 2018, 16.00 bis 19.00 Uhr, Stadtbibliothek Lenzburg
23. März 2018, 14.00 bis 17 Uhr, Mediothek Kantonsschule Wettingen
23. März 2018, 19.00 bis 22.00 Uhr, Stadtbibliothek Baden
27. März 2018, 16.00 bis 18.30 Uhr, Stadtbibliothek Brugg

Filmsonntag gegen Rassismus

Stadtmuseum Aarau, 25. März 2018

11.15 Uhr: Willkommen in der Schweiz, Schweiz 2017, 83 Min.
Im Sommer 2015 suchen eine Million Menschen auf der Flucht Schutz in Europa. 40'000 schaffen es bis in die Schweiz, zehn werden vom Kanton Aargau der reichen Gemeinde Oberwil-Lieli zugeteilt. Aber Andreas Glarner, Gemeindepräsident und SVP-Nationalratskandidat, will ein Exempel statuieren. Er weigert sich, in seinem Dorf Flüchtlinge aufzunehmen. Johanna Gündel, Studentin und Tochter eines lokalen Gemüsebauern, organisiert mit der IG Solidarität den Widerstand gegen diese Nein-Politik. Ausgehend von den Ereignissen in Oberwil-Lieli erzählt «Willkommen in der Schweiz» gleichnishaft von der Schweiz in Zeiten der sogenannten Flüchtlingskrise.


13.00 Uhr: Wir sind jung. Wir sind stark. Deutschland, 2014, 122 Min.
Montag, 24. August 1992: Die Straßen von Rostock-Lichtenhagen sind übersät von ausgebrannten Autowracks, Pflastersteinen, leeren Flaschen. Am Abend zuvor hatte sich ein Mob von 2000 Menschen vor einem Asylbewerberheim in der Plattenbausiedlung versammelt, "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" skandiert und Molotowcocktails gegen das Haus geschleudert. Tausende pöbeln gegen Ausländer, eine Gewaltorgie wird zum Volksfest. Der Spielfilm "Wir sind jung. Wir sind stark." erzählt von den Anschlägen auf Asylbewerberheime in Rostock-Lichtenhagen im Sommer 1992. Gespenstisch aktuell. Ab 12 Jahren.


15.30 Uhr: For Ahkeem, USA 2017, 89 Min.
„Es gibt keine Optionen mehr“, macht der Jugendrichter der 17-jährigen Daje klar. Wegen Aufsässigkeit flog sie von der öffentlichen Schule. Ihre letzte Chance ist eine private Institution für Schwererziehbare. Nach und nach skizziert der Film das Ausmass der Perspektivlosigkeit schwarzer Jugendlicher in St. Louis, Missouri. Daje zählt auf, wie viele ihrer Freunde erschossen wurden. Ihr Freund Antonio rechnet nicht damit, das achtzehnte Lebensjahr zu erreichen. Im Hintergrund läuft die Berichterstattung über Ferguson. Doch Daje kämpft. Auch als sie schwanger wird, gibt sie nicht auf. Eine sehr persönliche, packende Coming-of-Age Geschichte, die einen erschüttert, tief bewegt und dennoch hoffungsvoll zurück lässt. Empfohlen ab 18 Jahren.

Die Filme werden ohne Pause gespielt. Film- und Museumseintritt CHF 5.-. www.stadtmuseum.ch

Veranstaltungsort
Stadtmuseum Aarau, Schlossplatz, Aarau Wegbeschreibung und Plan unter www.integrationaargau.ch

Vermittlung an Schulen

Kinder und Jugendliche sollen frühzeitig für Vielfalt, Rassismus und Diskriminierung sensibilisiert werden und sich mit ihren eigenen Vorurteilen und Verhaltensweisen auseinandersetzen. Werden Kinder in einem positiven Umgang mit der Vielfalt unterstützt, steigert das die Chancen auf ein gutes Zusammenleben. Nur wenn für Kinder und Jugendliche Vielfalt zur Normalität wird, können wir die Herausforderungen von morgen bewältigen.

Die AIA steht den Lehrpersonen zur Seite, stellt Personal und Unterlagen zur Verfügung. Je nach Schulstufe, Zeitressourcen und Rahmenbedingungen stellen wir individuelle Angebote zusammen. Das kann von einem Vortrag von einer Lektion bis zu einem Projekttag mit Besuchen bei Integrationsangeboten und dem Austausch mit Geflüchteten gehen.

Nehmen Sie bei Interesse mit uns Kontakt auf, das Angebot ist für eine beschränkte Anzahl von Klassen gratis. Wir freuen uns auf Ihre Anfragen.